Bei uns (Fernando)
Für diesen Text vergab die Jury des Literaturbüros München
im bundesweiten Wettbewerb den 1. Preis.
Fernando hat die Kette bekommen, er will damit die Weihnachtskrippe reparieren. Die Klingel hat Manolo, der Wirt, über seine Theke genagelt, und er läutet sie immer, wenn er abends zusperren will. Oder wenn jemand einen besonders guten Witz erzählt hat. Aber das kommt selten vor. Aus den Speichen hat Miguel für das Erntedankfest einen Grill geschmiedet, der sieht aus wie ein Stück Klöppelspitze von den alten Frauen. Den Rahmen hat der dicke Alfredo in seinem neuen Ziegenstall oben in eine Ecke gemauert, da hängen jetzt seine zwei Eimer dran. Juan, der immer erst nachmittags redet, hat den Lenker als Griff an seinem Handkarren befestigt; Miguel hat ihm dabei geholfen. Mit den Kabeln hat Antonio, dessen Frau nicht wiederkommt, das Stroh und die Lumpen um seine neue Vogelscheuche gebunden. Lächerlich, denn in seinem Garten wächst sowieso nichts mehr, seit auch der zweite Brunnen trocken ist. Die Schläuche wollte Federico als Treibriemen für den Traktor, sie sind aber gleich zerrissen. Das verbogene Vorderrad hat Hector genommen. Wir wissen nicht, was er damit gemacht hat. Aus dem Sattel hat Teofilo einen Sitz gebastelt, falls sich einmal Kinder bei ihm die Haare schneiden lassen. Aber schon die Erwachsenen, die das Ding ausprobiert haben, fanden es sehr unbequem.
Ich habe das Hinterrad, es hängt neben der Haustür, damit Clematis sich darumranken kann. Meine Tochter hat den Mann gefunden. Wir haben ihn dort oben begraben. Seine Wasserflasche war leer, und der Berg ist steil und ohne Schatten.
© Ulrike Budde, München